Vereinsentwicklung – Früher war alles viel besser?

Als ich angefangen habe zu fliegen, war das Vereinsleben etwas anders.
Wir hatten einen großen Kalender ausliegen und wenn man ein Flugzeug chartern wollte, musste man sich in unseren Club aufmachen und die Eintragung dort von Hand in dieses Buch vornehmen.

Wenn man dann schon mal im Verein war, traf man andere Mitglieder, es wurde die ein oder andere Tasse Kaffee getrunken, man blieb auf dem Laufenden was die Flugzeuge und den Verein betrifft, es wurde „Avgas gequatscht“ oder gearbeitet.

Heute ist es ein wenig anders, heute sitzt man zuhause an seinem PC loggt sich über das Internet in das Buchungssystem des Vereins ein, sieht auf einen Blick, welche Flieger wann vom wem gebucht wurden. Es ist ein wenig unpersönlicher geworden.

Einige Mitglieder kommen heute hauptsächlich nur um zu fliegen, sie erscheinen um das Flugzeug zu übernehmen und entschwinden nach erfolgreichem Flug wieder in Ihre sonstigen Freizeitaktivitäten.

2014 gab es in der Bundesrepublik circa 600.000 Vereine. In den letzten 40 Jahren hat sich die Anzahl der Vereine verfünffacht. Interessanterweise hat sich die Anzahl der Mitglieder gegenläufig entwickelt, haben 1990 noch rund 62 Prozent der befragten Deutschen angegeben, Mitglied in mindestens einem Verein zu sein, waren es 2014 nur noch 44 Prozent. (Quelle)

Auch die Mitgliederstruktur innerhalb der Vereine hat sich gewandelt. In den 1990ern war die Bereitschaft im Verein mitzuwirken durchweg wesentlich höher als es heute der Fall ist.
Es gibt nur noch wenige, meist langjährige, Mitglieder die bereit sind im Verein aktiv mitzuwirken, an Versammlungen oder Gemeinschaftsarbeiten teilzunehmen.

 

Wie sollten Vereine zukünftig damit umgehen?

Als ich Vorstand des Vereins war, habe ich mich sehr intensiv mit diesen Fragen auseinandergesetzt. Ich habe mit anderen Vereinen gesprochen, mit Kegelvereinen, Hundezüchten, Tennis- Fußball- und Schwimmvereinen, selbstverständlich auch mit Fliegervereinen und alle hatten das gleiche Problem: Neue Mitglieder zu akquirieren und bestehende Mitglieder zu motivieren sich aktiv im Verein zu engagieren.

 

Das „Idealmitglied“

Ich denke wir müssen uns seit ein paar Jahren davon verabschieden nur auf das  „Idealmitglied“ als neues Vereinsmitglied  zu fokussieren.
Das Idealmitglied, welches sich vom ersten Tag an überwiegend aktiv und ehrenamtlich im Verein engagiert, bei allen Veranstaltungen und Versammlungen anwesend ist und fleißig mitarbeitet, werden wir heute in der Form wie wir es vor 20 Jahren gewohnt waren nicht mehr finden.

Vor 20 Jahren hatten wir nichts anderes als unser Hobby. Na ja, ganz so schlimm war es nicht, aber die ständig wachsende Zeitkonkurrenz zwischen Arbeit, Alltag, Konsum, Kommerz, Familie, Freunden, Medien, Internet und Hobby war damals nicht so omnipräsent wie es heute der Fall ist.

Wir haben den Verein gelebt unsere Familien waren großteils im Verein integriert, das ist heute nicht mehr in dieser Form der Fall.

 

Alte Denkweisen

Wenn ich heute meinem Hobby nachgehen will, habe ich mannigfaltige Möglichkeiten, egal ob ich den Tennisschläger schwingen oder ein Flugzeug fliegen will.

Es gibt da draußen genug Tennishallen, die ich kurzfristig benutzen kann, es gibt auch genug Charterunternehmen die sich darüber freuen mir eine Maschine zu verchartern.
In vielen Vereinen muss man sich jedoch zuerst vorstellen und eine „Probezeit“ über sich ergehen lassen ehe dann eine, wie auch immer geartete Instanz, über die Aufnahme entscheidet.
Ich persönlich halte das in der heutigen Zeit für unangemessen und in gewisser Weise auch herabwürdigend. Ich würde mir ungern von irgendwelchen Menschen die mich nicht kennen, die ich aber auch nicht kenne, sagen lassen, dass ich in diese scheinbar elitäre Gemeinschaft nicht reinpasse.

Antrag ausfüllen, Antrag abgeben und das sollte es für ein neues Mitglied gewesen sein. Ähnlich wie bei der neuen BTO, man ist Mitglied wenn der Antrag eingegangen ist.
Selbstverständlich muss dem neuen Mitglied das Rüstzeug mitgegeben werden um sich im Verein zurecht zu finden, noch eine Einweisung wie wir mit den Dingen umgehen, die unser Eigentum und Kapital darstellen.
Einen Checkflug muss man auch unternehmen, der Rest ergibt sich dann von selbst.
Ein Mentor wäre schön, scheitert aber oft daran, dass sich keine Mentoren finden.

 

Positives Feedback statt Bestrafung

Arbeitsstunden müssen in Vereinen erbracht werden, es bleibt nur die Frage wie man die Mitglieder dazu motiviert die immer weniger werdenden aber dennoch dringend notwendigen Arbeitsstunden abzuleisten.
In allen Vereinen die ich kennengelernt habe, findet eine, in der Psychologie sogenannte „direkte Bestrafung“ statt.
Du machst keine Arbeitsstunden also musst du bezahlen.

Warum probieren wir es nicht mit einem „positiven Feedback“ auf geleistete Arbeitsstunden?
Du hast für den Verein deine wertvolle Freizeit geopfert und etwas getan wovon alle Vereinsmitglieder profitieren?
Wunderbar und vielen Dank dafür.
Für zwei geleistete Arbeitsstunden bekommst du 10% Rabatt auf eine Flugstunde mit einem Flugzeug deiner Wahl.

Zum ersten wird die Bereitschaft Arbeitsstunden zu leisten aufgewertet, da es ja keinen Zwang mehr darstellt sondern eine freiwillige Leistung ist, zum zweiten wird den Mitgliedern einen Anreiz gegeben der fast nichts kostet, zum dritten erhöhen wir die Auslastung unserer Flugzeuge, zum vierten machen wir das Fliegen für alle billiger da wir den jährlich zu zahlenden Mitgliedsbeitrag abgesenkt haben.
Das funktioniert natürlich dann nicht, wenn die Einnahmen durch nicht geleistete Arbeitsstunden unbedingt nötig sind um den Verein am Leben zu erhalten, aber in diesem Fall ist es eigentlich sowieso schon zu spät.

 

Konkurrenz – Geiz ist geil

Vereine stehen in direkter Konkurrenz zu den kommerziellen Anbietern, in unserem Fall wären dies Charterunternehmen und Flugschulen. Andere Vereine will ich hier ausdrücklich als Mitbewerber ausschließen, denn Vereine arbeiten ja nicht gewinnorientiert.
Wenn ein Privatpilot bei einem „Konkurrenten“ ein vergleichbares Flugzeug zu einem vergleichbaren Preis bekommt, dafür jedoch keine Arbeitsstunden abarbeiten muss, keine Aufnahmegebühr und keinen Jahresbeitrag leisten muss und sowieso nichts mit „Vereinsmeierei“ zu tun hat, wo wird er sein nächsten Flugzeug chartern?

Ich habe noch ein paar Daten aus vergangenen Jahren:
Das Durchschnittsvereinsmitglied fliegt 9h pro Jahr, die jährlichen Beiträge im Verein, inklusive der Gebühren für nicht erbrachte Arbeitsstunden, liegen bei 975.- €/Jahr.
Das bedeutet, wenn das Durchschnittsmitglied 10h pro Jahr im Verein fliegt, muss man nochmal 97,50 € pro Flugstunde auf den, zugegeben günstigen, Charterpreis hinzuaddieren um auf den tatsächlichen Preis pro Flugstunde zu kommen.

Für Vielflieger ein gutes Angebot, ab 30/h pro Jahr lohnt es sich, darunter wird es tendenziell eher schwierig.

Aber mal ganz ehrlich: Wie viele Privat-Piloten fliegen schon mehr als 30 Stunden pro Jahr? Wir reden hier von einer Größenordnung von 400.- bis 600.- pro Monat. Ich persönlich kenne nur sehr wenige.

 

Wie geht es weiter?

Sinkende Mitgliederzahlen führen zwangsläufig zu weniger Flugstunden.
Weniger Flugstunden führen zu höheren Gebühren.
Höhere Gebühren führen zu weniger Flugstunden und zu sinkenden Mitgliederzahlen.
Ein Teufelskreis.

Vereine müssen umdenken, weg von alten Denkstrukturen und hin zu einem dienstleistungsorientierem Verein der die aktuellen Bedürfnisse, den demografischen Wandel, das geänderte Konsum- und  Freizeitverhalten der vorhandenen aber auch der zukünftigen Mitglieder berücksichtigt.
Die „Charterkunden“ müssen sich in einem modernen Verein genauso wiederfinden wie die „Vereinsmeier“ und die „Partylöwen“.

Vereine müssen anfangen kommerziell zu denken, Vereine müssen aktive Mitgliederwerbung betreiben, Vereine müssen wachstumsorientiert geführt werden, Vereine sollten zusammenarbeiten und sich nicht argwöhnisch als Konkurrenten betrachten.

Eine Kooperation zwischen Vereinen wäre wünschenswert, zum Beispiel günstige Doppelmitgliedschaften, das ist eine gegenseitige Ergänzung.
Sicherlich kommt jetzt der erhobene Zeigefinger der mir sagt: „Was nütze es uns, wenn unsere Mitglieder woanders fliegen?“
Dem kann ich nur entgegnen: „Was spricht dagegen, dass die Mitglieder des anderen Vereins nicht auch bei uns in einer ähnlichen Größenordnung fliegen?“

Tages, Wochen oder Monatsmitgliedschaften wären eine weitere Möglichkeit.
Wir müssen einfach alles tun um es den Piloten so einfach wie möglich zu machen in einem Verein in die Luft zu kommen.
Vielleicht finden sie ja dann doch, kurz vor Sunset wenn der Grill angeworfen wird, Gefallen an der viel geschmähten „Vereinsmeierei“ und bleiben für ein paar Jahre oder Jahrzehnte.

Als ich Vorstand unseres Vereins war habe ich das jahrelang gebetsmühlenartig gepredigt, ich musste gegen die Ressentiments vieler langjähriger Mitglieder ankämpfen und mich bei jeder Versammlung fast schon für jedes neue Mitglied entschuldigen.
Aber es hat sich ausgezahlt, der Verein wuchs langsam.

Heute sitzen 3 Piloten in unserem aus 5 Personen bestehenden Vorstand, für deren Aufnahme ich mich damals entschuldigen musste.
Es gibt sie also doch noch, die „Idealmitglieder“, man muss Ihnen nur eine Chance geben.

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